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Kritik zu "Der Diener zweier Herren")


aus: Potsdamer Neueste Nachrichten, 15.06.2004Lügend durchs Leben


„Theater am Weinberg“ mit „Diener zweier Herren“
Kleinmachnow – Truffaldinos Taschen sind leer. So leer wie sein Magen, weshalb er gleich zwei Jobs annimmt, um seine Börse ein wenig aufzubessern. Somit sind ihm als „Diener zweier Herren“ Verwicklungen sicher, denn die Aufträge wachsen ihm schnell über den Kopf. Carlo Goldonis turbulente Verwechslungskomödie aus dem Venedig des 18.Jahrhundert ist eine bissige Gesellschaftssatire in kräftigen Farben und mit derben Späßen. Frisch und lebendig hat das Weinberg-Theater die uralte Geschichte um Liebe und Wiederfinden inszeniert, die auch davon berichtet, wie alltägliche Lügen helfen zu überleben.

 

In der Rolle des gewitzten, stets gestressten Truffaldino ist Raimund Widra zu erleben. Springend und trippelnd rotiert er über die Bühne, sich gelegentlich der Rampe nähernd, um seine Philosphien unters Publikum zu bringen – ein zäher Lauf durchs Leben. Bei all dem rasanten Tempo waren auch leise Schwingungen spürbar. Tragikomisch die Szene, in der Tuffaldino einen geöffneten Brief wieder verschließen will, damit der Adressat nichts bemerkt. Seine Lösung: ein durchgekautes Stück Brot, das klebt. Feierlich klaubt er deshalb seine letzte eiserne Reserve aus der Tasche, schneidet davon mit Messer und Gabel eine winzige Scheibe ab, um sie sorgsam mit den Zähnen zu zerkleinern – und verschluckt sie. Auch beim zweiten Mal siegt der Hunger. Seine ganze Konzentration bietet Truffaldino beim dritten und letzten Bissen auf, besiegt die Pein des Magens und versiegelt den Brief, um seinen Frevel verschleiern zu können. Doch es gibt noch härtere Prüfungen. Während er seinen beiden Herrn gleichzeitig mehrere Gänge serviert, bis sich die Tafeln biegen, denkt keiner von ihnen daran, dass ihr Diener auch Hunger haben könnte. Immerhin gelingt es dem Armen mit Hilfe des Publikums einen Pudding beiseite zu schaffen.

 

Auch die anderen Figuren des Stückes zeigen, dass es gängige Norm ist, sich Vorteile zu verschaffen. Je nach gesellschaftlichem Rang fallen die freilich größer aus. Goldoni entlarvt die „feinen Leute“ als oberflächlich und rücksichtslos. Da zieht Beatrice, gespielt von Cynthia Fiedler, Männerkleider an, um an das Vermögen ihres toten Bruders Federigo zu kommen. Dottore Lombardi, alias Thomas Lehmann, feilscht um die Verheiratung seines Sohnes, denn der habe einen empfindlichen Magen. Während Dottore vorgibt, sich um das Wohl des Sohnes zu sorgen, tätschelt er liebevoll sein eigenes Bäuchlein. Immer wieder kommt es zwischen ihm und seinem Gegenpart Pantalone (Florian Dieter) zu einem lautstarken Disput, der sich auf Italienisch steigert. Beim Einstudieren des überschäumenden Wortschwalls half die Italienerin Fiorenza Renn, Lehrerin an der Steinweg-Schule.

 

Auch die diesjährige Sommerinszenierung des Theaters am Weinberg (TAW) war wieder mit Ideen gespickt von der Choreographie, den Liedern bis zur Ausstattung. Hatte Goldoni zu seiner Zeit dafür gesorgt, dass die Darsteller die Masken ablegten, um Gesicht und Seele zu zeigen, trugen einige Spieler des neuen TAW-Stückes Masken in Anspielung auf mittelalterliche Gauklerspiele. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren fiel die Bühne diesmal spartanischer aus, da das Laienensemble sich die bisherige Spielstätte Kammerspiele, die seit Jahresanfang in Privatbesitz ist, nicht mehr leisten kann. Der Spielfreude tat das keinen Abbruch und der Dank von Theaterchefin Kathrin Heilmann galt deshalb der Leitung des Wohnstiftes Augustinum, die sehr kulant ihren Theatersaal für drei Aufführungen zur Verfügung gestellt hat. Und trotz Fußball-EM füllte das theaterbegeisterte Publikum auch diesmal den Saal, sparte nicht mit Zwischenapplaus und begeisterten Bravo-Rufen am Schluss.



Kirsten Graulich