Kritik zu "Der Ring"

 

RezensionDrachen und Walküren in den Kleinmachnower Kammerspielen

Schüler der 7. und 9. Klasse führen Nibelungen-Epos auf Kleinmachnow. Schwere Aufgaben, so steht es in dem Brief, musst Du bewältigen, um ein Held zu werden: Den Drachen töten, den Schatz an Dich nehmen, Brünnhilde befreien, zum König gehen. Der kleine Siegfried kratzt sich am Kopf. Kämpfen kann er, nur denken ist seine Sache nicht. Mit Mut und Draufgängertum löst er zwar die Aufgaben und erobert Brünnhilde, doch am Königshof tappt Siggi den Kupplern in die Falle. Mit ihrem bislang jüngsten Ensemble brachte die Theatergruppe des Kleinmachnower Weinberg-Gymnasiums am 7. und 9. September ihr Sommerstück auf die Bühne. Es heißt „Der Ring“ und ist an das Nibelungenlied aus dem 12. Jahrhundert sowie Richard Wagners Opernzyklus „Ring des Nibelungen“ angelehnt.


Zu schwerer Stoff für 12- bis 15-jährige Schauspieler? Von wegen. „Für junge Zuschauer ist die Inszenierung angetan als kindgerechte Einführung in den Nibelungen-Mythos“, sagt Regisseurin Kathrin Heilmann. „An das ältere Publikum richten sich die selbstironische Interpretation und die Anspielungen auf ähnliche Plots.“ Das Schülertheater lockert den Opus um Schuld und Begierde nicht nur humoristisch auf, sondern stellt auch pointiert den Geschlechterkonflikt in den Mittelpunkt: Gott Wotan hat Angst vor seiner Gattin, die wachgeküsste Brünnhilde belächelt ihren Retter, König Gunther klagt, dass seine Körperkräfte denen der Königin unterlegen sind. Schon bei den Germanen traten die Walküren als mythologisches Korrektiv zum Machismo der Völkerwanderungszeit auf. Reduzierte die höfische Tradition des Mittelalters die Frauenfiguren zu Objekten, Behandelten, Beutegut – Kriemhilds Ausbruch aus diesem Stereotyp wird schwer bestraft – so erschienen die weiblichen Figuren in Wagners „Ring“ als Handlungsträger, Intriganten, Kämpferinnen. Das Fazit der Schüler-Inszenierung lautet: Neue Männer braucht das Land! Brünnhilde schmeichelt: „Keine der Naturgewalten hat mich so beeindruckt wie ein Blick in Deine Augen.“ Sie lächelt. Siggi strahlt. Das Publikum johlt. Und selbst in besiegtem Zustand dominiert die resolute Kriegerin jede Szene, während die blonde Barbie Kriemhild sich durch ihre naive Unzulänglichkeit in die Herzen der Zuschauer spielt. Die Rheintöchter treten als wiederkehrende Schicksalsfiguren auf.


Bis 1990 reicht die Tradition des „Theater am Weinberg“ (TAW) unter der Leitung von Deutschlehrerin Kathrin Heilmann zurück. 20 abendfüllende Inszenierungen, 10 Weihnachtsstücke und zahlreiche Themenprogramme hat das TAW seitdem aufgeführt. Rückblickend sei besonders auf die stolze Bilanz von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ von 1999 verwiesen, als die Kammerspiele fünfmal ausverkauft waren. Diese Zeiten sind freilich vorbei. Kleinmachnow ist mittlerweile Schauplatz zahlloser Off-Theater-Vorstellungen, meist mit schulischem Hintergrund. Das TAW, das vor 17 Jahren diese Tradition ins Leben gerufen hatte, muss nun um Spielorte und Publikum kämpfen. War es im vorigen Dezember bei „Weihnachten mit Charlie Brown“ noch der Kinder-Bonus, der den Theatersaal des Augustinums füllte, so sind die jungen Darsteller seitdem schauspielerisch gereift. Die Kammerspiele in der Karl-Marx-Straße haben sich zudem wieder als fester Spielort etabliert. „Wir hoffen, dass das TAW wieder zu dem wird, was es einmal war“, so die Regisseurin in ihrer Ansprache zur Premierenfeier. „Unser Dank gebührt nicht zuletzt den Eltern der Schüler, die durch ihre Unterstützung dazu beigetragen haben, dass wieder eine neue Schauspielgeneration entstehen kann.“

Christopher Liefeldt